Das Ballkleid

DAS BALLKLEID

Meine liebe Hannah kam im Sommer mit dem Wunsch auf mich zu ihr Maturaballkleid (Matura= Abitur 😉) zu nĂ€hen und ich hab JA gesagt :D.

So ein Kleid ist viel Arbeit aber was macht man nicht alles fĂŒr sein entzĂŒckendes Paten“kind“. NatĂŒrlich habe ich mich ĂŒber ihre Anfrage und das damit verbundene Vertrauen gefreut. Ich liebe ja am NĂ€hen unter vielen anderen Dingen, dass jedes Projekt anders ist und dass zum Beispiel nach einem dicken Wollstoffmantel ein Traum aus Spitze und TĂŒll am Zuschneidetisch liegt. Diese Abwechslung macht es spannend und stellt mich immer wieder vor neue Herausforderungen.

Die Anfertigung des Ballkleides hat mich jetzt ĂŒber zwei Monate begleitet.
Schritt fĂŒr Schritt möchte ich euch zeigen, wie aus einer Idee ein fertiges Ballkleid entstand.

Das Ballkleid

DIE IDEE

Hannah hatte einen ganz konkreten Wunsch, wie ihr Traumballkleid aussehen sollte. Es gab ein Bild dazu und an das hielt ich mich auch. Ein langes Kleid in Blau-Grau-Tönen mit gezogenem TĂŒllrock und Spitzenoberteil. Das Oberteil zeichnete sich durch ein paar weitere Einzigartigkeiten aus, die aber vielleicht auf den ersten Blick nicht erkennbar sind. Ich liebe an KleidungsstĂŒcken besondere Effekte, vor allem dann, wenn sie nicht sofort schreien „Hallo – hier bin ich!“, sondern dem KleidungsstĂŒck in Summe eine besondere Note verleihen und erst beim genauen Betrachten entdeckt werden.

Das Oberteil erhielt durch die zarte Aufarbeitung von Spitze und Organza einen dezenten Nude- LOOK und das Durchblitzen der NĂ€hte und der TrĂ€ger verschafften einen Hauch von Lingerie. Um das zu erreichen, verwendete ich fĂŒr das Oberteil- Vorderteil zwei Lagen Organza, am RĂŒckenteil eine Schicht. Die Spitze allein zu verwenden wĂ€re zum einen nicht besonders angenehm fĂŒr die TrĂ€gerin, außerdem benötigt das Teil eine gewisse StabilitĂ€t, um eine schöne Form und Haltbarkeit zu gewĂ€hrleisten. Eine andere Möglichkeit wĂ€re natĂŒrlich mit hautfarbenem Futter oder Trikotstoff zu arbeiten. Die schmalen TrĂ€ger wurden aus Organza- SchrĂ€gstreifen verstĂŒrzt und fĂŒhrten am RĂŒckenteil vom Ausschnitt bis zum Rock. Besonders wichtig war mir die Verwendung des Bogenabschlusses der Spitze an den Ausschnitten und die Farbabstimmung der TĂŒllröcke an das Oberteil.

Aber nun der Reihe nach


DAS MATERIAL

1m Galon – Spitze (90cm breit)

0,5m Organza hellblau

6m FeintĂŒll hellblau (300cm breit)

6m FeintĂŒll hellblau (140cm breit)

6m SofttĂŒll grau (150cm breit)

1,20m Viskosefutter nude

1 Nahtzipp 60cm hellblau, 2 Cups nude

DER SCHNITT

Organza:

  • 2x Vorderteil Mittelteil im Stoffbruch
  • 2x Vorderteil Seitenteil
  • 1x RĂŒckenteil
  • 2 SchrĂ€gstreifen (TrĂ€ger)

Spitze:

  • 1 x Vorderteil zum Überspannen
  • 1 x RĂŒckenteil zum Überspannen
  • ErklĂ€rung dazu bei Verarbeitung!

Vielleicht wundert ihr euch ĂŒber den AbnĂ€her im Vorderteil Mittelteil. Da das Kleid relativ tief ausgeschnitten ist, ermöglicht der AbnĂ€her eine schöne Drehung des Schnittteiles zum Körper und beugt ein Abstehen des Ausschnittes vor.

Ich finde fĂŒr ein Ballkleid gibt es kaum eine schönere Form als eine Variante des Kreisrockes. Er fĂ€llt wunderschön, besitzt an der LĂ€nge großes Volumen und fĂ€llt ĂŒber die HĂŒftpartie trotzdem schmal. Am Bild seht ihr den Schnittaufbau. Der Schnitt ist total einfach konstruiert und auch genĂ€ht. Da der Rock fĂŒr das Kleid gerafft sein sollte hab ich fĂŒr die Taillenweite doppelte Taillenweite zur Berechnung herangezogen.

Taillenumfang: 70cm -ich gehe von 140cm aus damit genug Weite zum Einziehn vorhanden ist.

1/3 von 140cm = 44,7,-cm = X1 (zur Kontrolle kannst du den kleineren Kreisbogen nachmessen, dieser sollte nun die gewĂŒnschte Taillenweite ergeben)

RocklÀnge = 110cm-120cm = X2

Wichtiger Verarbeitungs- Tipp beim Kreirock aus Webware: Den Rock vor dem LĂ€ngen- Abgleichen ein paar Tage an der Puppe oder am BĂŒgel aushĂ€ngen lassen. Durch die schrĂ€ge Fadenlange und das Gewicht hĂ€ngt sich der Rock sehr unterschiedlich aus und die LĂ€nge wird unregelmĂ€ssig.

DIE ANFERTIGUNG

In der klassischen Maßanfertigung erfolgen 3 Anproben.

Die letzte Anprobe ist meist die Fertigprobe oder wird eventuell noch einmal zur LĂ€ngenabgleichung genutzt.

FĂŒr das Ballkleid waren auch 3 Anproben nötig. Ich beschreibe hier den Anfertigungsprozess ohne Zwischenproben, das wĂ€re, glaub ich, zu umfangreich und langweilig.

Das Oberteil

Zuerst nĂ€hte ich die TeilungsnĂ€hte in den Organza- Vorderteilen und verstĂŒrzte die zwei Lagen am Ausschnitt miteinander.

Dann wurde das Oberteil mit Spitze ĂŒberzogen. Dadurch konnte ich im Spitzenoberteil auf NĂ€hte verzichten. Beim „Überziehen“ oder „Überspannen“ wird das Organza- Oberteil auf die Puppe gesteckt und die Spitze aufgesteckt. Damit das Teil eine schöne Form behĂ€lt, musste die Spitze an manchen Stellen sehr straff aufgesteckt, an anderen Stellen wiederum etwas eingehalten werden. Diese Methode empfehle ich allerdings nur bei nicht allzu großem Brustumfang – und ob dies im Endeffekt möglich ist, ist immer auch materialabhĂ€ngig.

Nun wurde der Ausschnitt zurechtgeschnitten. Bevor ich das Spitzenoberteil auf dem Organza fixieren konnte, wurde der Ausschnitt mit der Bogenkante des Endels verarbeitet.

Vielleicht kennt ihr auch das Problem: Ihr habt hochwertige Spitze mit einem gebogenen Endel und wollt dieses an einem runden Ausschnitt oder Saum anbringen. FĂŒr die fehlende Stelle wird dem Muster entsprechend eine Bogenkante ausgeschnitten. Von der rechten Stoffseite her aufstecken und mit Zick- Zack- Stich dem Muster entlang aufnĂ€hen. Überstehende Spitze knapp an der Kante abschneiden und vorsichtig glatt bĂŒgeln.

Jetzt konnte das Spitzenoberteil mit dem Organza- Unterbau, am Ausschnitt und and den SeitennÀhten zusammengenÀht werden.

Das RĂŒckenteil wurde gleich mit dem Ausschnitt entlang der Bogenkante aufgelegt, zugeschnitten und mit dem Organza verbunden.

FĂŒr die TrĂ€ger wurden Organza- SchrĂ€gstreifen zugeschnitten und zu schmalen Röllchen verstĂŒrzt.

Per Hand habe ich sie am Ausschnitt befestigt.

Der Rock

Zugeschnitten wurden 7 TĂŒllröcke und bei jedem Rock wurde die RM- Naht mit zick zack Stich gesteppt und die Taille auf Taillenweite eingezogen.

Die Bilderreihe zeigt wie ihr mit unterschiedlichen TĂŒllfarben und der Anordnung der Röcke ein andere Optik erreichen könnt. Außerdem entsteht dadurch ein wunderschönes Farbspiel aus Licht und Schatten.

FĂŒr den Nahtzipp ließ ich an der RĂŒckenmitte ca 20cm offen. Die Nahtzugaben wurden am Nahtende eingezwickt um die Schichten fĂŒr den Nahtzipp ĂŒbereinander zu legen und so den Nahtzipp durchgehend einnĂ€hen zu können.

Dann habe ich den Rock ans Oberteil genĂ€ht, den Nahtzipp verarbeitet und den Futterrock angebracht. Der Futterrock war ĂŒbrigens ein Rock mit Saumerweiterung und kein Kreisrock.

Die Bilder zeigen noch einen groben Überblick meiner Vorgehensweise beim EinnĂ€hen eines Nahtzipps.

  1. Linke Seite des NAhtzipps einnÀhen

  2. Ausschnittkante – Naht Rock/Oberteil – Schlitzende Nahtzipp auf rechte Seite des Nahtzipps ĂŒbertragen
  3. Rechte Seite des Nahtzipps einnÀhen
  4. Kanten des NahtzippbÀndchens an der Nahtzugabe annÀhen

Letzter Schritt war noch die KleidlĂ€nge, aber diese ist bei TĂŒllröcken sehr dankbar, da die LĂ€nge einfach geschnitten wird.

So und nun war es fertig und der Ballabend konnte beginnen!

An diesem Abend waren 2 weitere Ballkleider von mir im Einsatz – vielleicht entdeckt ihr sie ja in meinem Feed auf Instagram!

* Theresa *

Makesa Schnittdesign Blog

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von Makesa Schnittdesign

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